Kuratorisches

Dark Eden

Die auf den ersten Blick komplexe Bildwelt von Ewa Teilmans entzieht sich erst einmal jeder einfachen und griffigen Definition. Ihr Erfindungsreichtum im Umgang mit Bild- und Inspirationstechniken, die Brüche in ihren Werken und der Wechsel der Themen laden dazu ein, Ewa Teilmans nicht nur im einzelnen Werk zu suchen, sondern in einem universalen skeptisch-visionären Weltentwurf.

Ihre Bilder drücken ein selten zur Beruhigung kommendes Hin- und Hergerissensein zwischen Aggressivität und Unschuld aus.

Im gelben Ei tummelt sich ein Vogelpaar, während draußen das Chaos tobt in verführerischer Farbgewalt.

In Kiew. Herdenschutz. schaut ein staunender Kinderblick hilflos und gänzlich unschuldig in die Farbigkeit einer Landschaft, die von Kugelsalven bedroht ist.

Im Großformat Chinesen haben kein zu Hause schimmern Ikonen der Gewaltfreiheit an gegen einen Überwachungsstaat, der Stand heute über 600 Millionen Kameras aufgestellt hat zur Bespitzelung seiner Bürger bis in ihre Häuser hinein, Megvii und Sense Time lassen grüßen.

Unter anderem in diesen Werken zeigt sich das ganze Ausmaß der Vielfalt und auch die Beständigkeit des Widerspruchs, die sich in den Bildern der Künstlerin ausdrücken als eine unerhört fruchtbare Unruhe, die an die Stelle alter Sicherheiten und Normen tritt.

Wir sehen in jedem Bild das skeptisch Schneidende der Wirklichkeit, visionäre Welten, die ständig zwischen überlebensgroßem und unterlebensgroßem Oszillieren wechseln.

Die Künstlerin lässt sich auf keine Gewissheiten ein, ihre Bilder spiegeln immer die Widersprüche der äußeren Welt wieder, sie wirkt jedem Wunsch nach Harmonie mit zentrifugalen Kräften entgegen. Überraschend die Sprünge von mikroskopischen Andeutungen voller Bildwitz sowie privater Innenschau und traumatischen Ansammlung kollektiver Erfahrungen wie Krieg, Unterdrückung und Verlust von Unschuld. Die Panik und Hilflosigkeit menschlichen und tierischen Ausgeliefertseins tritt immer wieder bei der Künstlerin zutage, Trauer und Horror finden Platz neben einer geradezu kosmischen Heiterkeit. Ihre Collagetechniken gehen Hand in Hand mit wilden und abrupten Farbexplosionen in einer Art ontologischen Verunsicherung des Gegenständlichen. Ihre Bilder sind reflektierende Schnittstellen, in der verschiedene Stile collagenhaft aufeinandertreffen und uns zum Sehen einladen. Zum Denken. Und zur Teilhabe am Geist des Dada. Elemente, die im Detail verständlich sind, werden auf der Ebene der Komposition und Kommunikation ambivalent. Dark Eden.
Lilian Marie Kahl

Dark Eden – Paradies in Aufruhr

Auf der Suche nach dem kostbaren Leben

In diesen großformatigen, berauschenden Farblandschaften lässt sich spazieren gehen und hinter jeder Wegbiegung ein lebendiges Geheimnis entdecken. Gewaltige, teilweise gewalttätige, intensive Farbbalken bestimmen die Textur. Dazwischen tauchen inselartig filigrane fotografische Kostbarkeiten wie Edelsteine auf, die sich behaupten müssen in dem mächtigen kraftvollen Farbauftrag.

Bis zum Bildrand gestaltet sich in den gegensätzlichen Spannungen des ungemischten Farbenauftrags ein konflikthafter Raum, der sich in den fotographischen Gegenständen beruhigt und von konstruktiven Möglichkeiten erzählt, etwa die Häuser in dem ortlosen China, friedliche Tiere im unfriedlichen Kiew, die Mütter, die ihre Kinder gegen das große widerständige Gelb beschützen, das Rehkitz, das ganz am Rande auftaucht und nach einem Lebensraum Ausschau hält in der ihm fremden Welt.

In dem großen gelben Ei kann das göttliche oder das monströse Wunder zutage treten, wir wissen es nicht, wir wissen aber, und das vermitteln uns die Bilder, dass in allen Widerständen immer wieder das Leben als Kind, als Tier, als Pflanze neu in Erscheinung tritt und gegen die allseitige Bedrohung und Heimatlosigkeit gewinnt.

Vielleicht ist sogar manchmal ein Opfer nötig in Form eines Lammes, um den gärenden und üblen Grund zu erneuern. Alles scheint bedroht durch unzähmbare Kräfte, aber nichts wird endgültig zerbrochen, das ist die tröstliche Botschaft dieser berauschenden Bilder.
Peter Cassel